Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat im April 2019 anlässlich des 69. DHV-Tages 2019 in Berlin eine Resolution „zur Verteidigung der freien Debattenkultur an Universitäten“ verabschiedet. Im Wortlaut wurde auf folgendes aufmerksam gemacht:

„Die Toleranz gegenüber anderen Meinungen sinkt. Das hat auch Auswirkungen auf die Debattenkultur an Universitäten. Die insbesondere im anglo-amerikanischen Hochschulraum zu beobachtende Entwicklung, niemandem eine Ansicht zuzumuten, die als unangemessen empfunden werden könnte, verbreitet sich auch in Deutschland. Im Streben nach Rücksichtnahme auf weniger privilegiert scheinende gesellschaftliche Gruppierungen fordern einige Akteure das strikte Einhalten von ‚Political Correctness‘. Sie beanspruchen aber zugleich die Definitionshoheit darüber, was eine Grenzüberschreitung ist. So fühlen sich einige Studierende schon verletzt, wenn an einer Universität eine Professorin bzw. ein Professor oder eine öffentliche Person mit Thesen auftritt, die der eigenen (politischen) Auffassung zuwiderlaufen.

Vor diesem Hintergrund stellt der DHV fest:

Universitäten sind Stätten geistiger Auseinandersetzung. Die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis lebt vom leidenschaftlichen, heftigen und kontroversen Ringen um Thesen, Fakten, Argumente und Beweise. An Universitäten müssen daher jede Studentin und jeder Student sowie jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler seine Forschungsergebnisse, Thesen und Ansichten ohne Angst zur Diskussion stellen können. Das Grundgesetz bindet die Freiheit der Lehre lediglich an die Treue zur Verfassung. Darüberhinausgehende Denk- oder Sprechverbote gibt es nicht. Wer die Welt der Universitäten betritt, muss akzeptieren, mit Vorstellungen konfrontiert zu werden, die den eigenen zuwiderlaufen. Zur Verkündung vermeintlich absoluter Wahrheiten taugen Universitäten nicht. Widersprechende Meinungen müssen respektiert und ausgehalten werden. Differenzen zu Andersdenkenden sind im argumentativen Streit auszutragen – nicht mit Boykott, Bashing, Mobbing oder gar Gewalt.

Zugleich bedeutet dies auch: Unkonventionellen, unbequemen, unliebsamen Meinungen müssen Universitäten ein Forum bieten, solange es Forschungsergebnisse und wissenschaftliche Thesen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind. Damit ist unvereinbar, dass sich in letzter Zeit Ausladungen von Personen häufen, die vermeintlich unerträgliche Meinungen vertreten. Soweit es sich um den Versuch handelt, die Äußerung wissenschaftlicher Auffassungen zu unterbinden, ist das einer Universität nicht würdig. Anders verhält es sich, wenn es sich um nichtwissenschaftliche Meinungen von partei- oder allgemeinpolitischen Meinungsführerinnen und Meinungsführern handelt. Insofern gibt es aus Sicht des DHV nur zwei Haltungen: Entweder die Universitäten verstehen und verhalten sich partei- und gesellschaftspolitisch weitgehend avers. Das hält der DHV für nicht richtig: Die Universität muss Teil und Forum der gesellschaftlichen Debatte sein. Ein Rückzug in den ‚Elfenbeinturm‘ schadet ihr selbst. Oder die Universität lässt alle vom Bundesverfassungsgericht (bislang) nicht als verfassungswidrig eingestuften Parteien zu Wort kommen. Das bedeutet in einem freiheitlichen Rechtsstaat, dass die Äußerung einer nicht verfassungswidrigen, aber politisch unerwünschten Meinung nicht nur geschützt, sondern notfalls auch erst ermöglicht werden muss. Ausflüchte schaden der Universität mehr als dass sie ihr nutzen.

Ihre wichtige Aufgabe, Debatten anzustoßen und zu strukturieren, können Universitäten nur ausfüllen, wenn sie nicht denjenigen nachgeben, die sie maßregeln wollen, am lautesten schreien, mit Gewalt drohen oder sie sogar anwenden. Für die Freiheit von Forschung und Lehre muss täglich neu eingetreten und gekämpft werden. Jede einzelne Wissenschaftlerin und jeder einzelne Wissenschaftler steht insofern in einer besonderen Pflicht. Staat und Universitäten sind dazu aufgefordert, sie dabei zu unterstützen.“

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